Das Meer und das Maedchen by Appelt Kathi

Das Meer und das Maedchen by Appelt Kathi

Autor:Appelt, Kathi [Appelt, Kathi]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ravensburger
veröffentlicht: 2013-12-13T05:00:00+00:00


49 An Land, in dem spukblauen Haus, lag Signe und schlief. Sie ahnte nicht, dass Mirja in Dogies Boot zusammen mit BF und Captain langsam auf das offene Meer zutrieb.

Als Signe heute schließlich ins Bett gefallen war, völlig erledigt nach dem langen Tag, hatte sie den tröstenden Schlaf willkommen geheißen wie einen fliegenden Teppich, mit dem sie den schrecklichen Ereignissen entkommen konnte, besonders aber Mirjas unerklärlichem Verhalten.

Bis in ihre Träume wurde Signe von dem Streit mit Mirja verfolgt. Da war sie, im Türrahmen von Mirjas Zimmer, und schrie: „Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht?“

Und Mirja sagte immer wieder etwas von Krabben, und dass sie mit ihr geredet hätten.

Krabben! Ausgerechnet Krabben!

Die Krabben, die Dogie gefangen hatte. Die Krabben, deretwegen er noch vor Tagesanbruch aufgestanden war. Diese Krabben. Die Krabben, die eigentlich in ihrem Gumbo hätten landen sollen.

Und als wären die Krabben nicht genug, auch noch ihre Holzschale. Und Mr Beauchamps Blumen. Und Dogie.

„Willst du mir erzählen, dass das alles nur wegen ein paar Krabben passiert ist?“, hatte sie wissen wollen. Die Härchen auf ihrem Arm hatten sich vor lauter Zorn aufgerichtet.

Mirja hatte vor ihr gestanden. Sie war fast so groß wie sie selbst, wurde mit jedem Tag größer, und sie reckte das Kinn vor, genau wie Meggie Marie es oft getan hatte, wenn sie gleich eine faustdicke Lüge erzählen würde.

Wie oft hatte Meggie Marie Signe gesagt, sie wolle nur schnell etwas im Laden in Tater besorgen, und war dann stundenlang weggeblieben, hatte Signe allein mit dem Baby zurückgelassen, ohne Auto. Und wie oft hatte Meggie Marie versprochen, Signe von der Arbeit in der Prince Oyster Bar abzuholen, um es dann zu „vergessen“? Unzählige Male musste Signe nach Hause laufen oder Dogie anrufen und bitten, sie abzuholen.

Meggie Marie hatte viele Lügen erzählt.

Soweit Signe wusste, hatte Mirja noch nie gelogen. Aber da stand Mirja nun und reckte das Kinn vor, genau wie Meggie Marie.

„Sie haben mit mir geredet“, beharrte Mirja.

„Sprechende Krabben?!“, schrie Signe. „Mirja, Krabben können nicht sprechen!“

Mirja streckte das Kinn noch ein Stückchen weiter vor. „Aber ich bin doch zur Hälfte eine Meerjungfrau.“ Als ob das alles erklären würde.

„Aaaaargghh!“, brüllte Signe. Ihr fiel nicht ein einziges Wort ein, das sie noch hätte sagen können. Meerjungfrau! Eine Rage, wie sie sie seit sieben Jahren nicht mehr gefühlt hatte, fuhr durch ihre Brust, ihre Arme, ihren Schädel. Jeder Nerv, jeder Muskel und jede Sehne in ihrem Körper war zum Zerreißen gespannt.

„Mirja!“, schrie sie schließlich, weil ihr nichts anderes einfiel. Es war die reine Verzweiflung. Alles, was sie hätte sagen können, blieb ihr im Hals stecken und weigerte sich herauszukommen. Das Einzige, was sie noch tun konnte, war die Tür zuzuknallen. RUMS!

Wenn zufällig irgendwelche Spuks in der Nähe waren, hatte Signe sie vermutlich zu Tode erschreckt.

Signe hatte sich solche Mühe gegeben, bei Mirjas Erziehung alles richtig zu machen, auf sie aufzupassen, ihr alles beizubringen, was sie wissen musste, und ihr zu zeigen, wie man das kleine Universum und ihre Bewohner behütete. Aber heute fühlte sie sich wie die miserabelste Mutter auf der ganzen Welt.



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